Lasse Gismo 🤭 · @LasseGismo
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Den besiegen

Es ist Frühling, und ich gehe über die Wiese zu meinem Medizinwald wo die Pflanzen ihre Gaben vorbehaltlos und großzügig verschenken. Es ist mein Wald, nicht aufgrund einer Besitzurkunde, sondern aufgrund meiner Zuwendung. Ich komme schon seit Jahrzehnten hierher, um bei den Pflanzen zu sein, ihnen zuzuhören, von ihnen zu lernen und sie zu sammeln.

Dort, wo der Schnee lag, breitet sich jetzt ein Teppich weißer Waldlilien aus, aber ich fröstele trotzdem. Das: Licht ist anders. Ich überquere den Kamm, auf dem mir im Schneesturm vergangenen Winter rätselhafte Fußspuren gefolgt sind. Ich hätte wissen müssen, was diese Spuren bedeuten. An ihrer Stelle sehe ich jetzt die tiefen Spuren von Lastern, die über das Gelände führen. Die Blumen sind noch da, wie seit Menschengedenken, aber die Bäume sind weg.
Mein Nachbar hat im Winter die Holzfäller geholt.

Es gibt so viele Möglichkeiten, ehrenhaft zu ernten, aber er hat sich anders entschieden, hat nur eine kranke Buche und ein paar alte Hemlocktannen stehen lassen, die nicht für das Sägewerk taugen.
Waldlilien, Blutwurz, Leberblümchen, Goldglöckchen, Hundszahn, Haselwurz und wilder Lauch lächeln ein letztes Mal in die Frühlingssonne, die sie verbrennen wird, wenn erst der Sommer in einen Wald ohne Bäume einzieht. Sie haben darauf vertraut, dass die Ahornbäume da sind, aber die sind verschwunden. Und sie haben mir vertraut. Nächstes Jahr wird hier ein Gestrüpp wachsen aus Knoblauchrauke und Kreuzdorn, invasiven Arten, die der Spur des Windigo folgen.

Ich habe Angst, dass eine Welt, die aus Gaben besteht, nicht gleichzeitig mit einer Welt von Waren existieren kann.
Ich habe Angst, dass ich nicht die Macht habe, Dinge, die ich liebe, vor dem Windigo zu schützen.

Quelle: Geflochtenes Süßgras / Robin Wall Kimmerer

#IndigenesWissen #gier #Windigo

Last updated 2 years ago

Lasse Gismo 🤭 · @LasseGismo
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Verbannung bei Gier - Das ist doch mal ein Konzept.

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Wir sind alle mitschuldig. Wir lassen zu, dass der »Markt« bestimmt, was uns wichtig ist. Das neue Gremeinwohl scheint auf einem verschwenderischen Lebensstil zu beruhen, der die Verkäufer reich macht, aber die Seele und die Erde verkümmern lässt.

Mahnende Geschichten vom Windigo entstanden in einer am Gemeinsinn orientierten Gesellschaft, in der Teilen unerlässlich für das Überleben war und Gier den Einzelnen zu einer Gefahr für das Ganze machte.
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In der alten Zeit wurden Einzelne, die die Gemeinschaft gefährdeten, weil sie zu viel für sich selbst nahmen, zuerst ermahnt, dann ausgegrenzt und schließlich, wenn sie nicht von ihrer Gier lassen wollten, verbannt.
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Der Mythos vom Windigo ist vielleicht aus der Erinnerung an die Verbannten entstanden, die dazu verurteilt waren, hungrig und einsam umher zu irren, und die sich an denen rächen wollten, die sie vertrieben hatten. Aus dem Gefüge wechselseitigen Gebens und Nehmens verstoßen zu werden, ist eine furchtbare Strafe. Man hat niemanden mehr, der etwas mit einem teilt, und niemanden, für den man da sein kann.
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Quelle: Geflochtenes Süßgras, Robin Wall Kimmerer

#IndigenesWissen #Windigo #gier

Last updated 2 years ago