#MichelJean #Maikan
#Kanada #Residentalschools
Ein sehr empfehlenswerte Roman über die katholische Missionierung von indigenen Völkern in Kanada.
Meine etwas ausführlichere Besprechung hier:
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Michel Jean is one of the best writers of our time. He has something to say, he knows what he's talking about, and his topics are relevant. The new novel Der Wind spricht noch davon (The Wind Still Speaks of It, published by Wieser 2022) is about the wolves of the Catholic Church. Wolves, in this novel, are called male and female educators, monks and nuns who ambush indigenous children and youth in their resident schools to sexually abuse them. Like a pack of wolves, they prowl around the weakest during the day, and at night they often prey on them together.
The crimes could happen because the church leaders were convinced that the so-called savages finally had to be civilized, because the parents of the victims were in bondage to the religious shepherds, and because the Canadian state financed the forced enrollment of the children in far away places. The issue has shocked Canadian society in recent years, a cultural genocide has been recognized and payments have been made to the victims, but it has ruined the abused children for life.
Michel Jean describes the Catholic Wolves from the point of view of three children from the Innu people. He reconstructs facts from reports and files and tells the story of the children who so involuntarily fell under the reign of terror of the wolves, in the ludicrous system of the so-called civilization of savages. The narrative of events in the early first half of the 20th century is an emphatic approach to a time in hell, in a clear tone but brutally honest. What particularly resonates - I read the book in one go - is the story of Marie, the survivor, told in parallel.
Marie, who lost her best friend at the residental school, after a period of drinking and homelessness on the streets of Montreal, has moved to a distant village where she has done nothing but drink and talk to no one for decades. That is, until a young lawyer arrives to make sure Marie receives the tens of thousands of dollars in compensation to which she is entitled. Marie reluctantly gets involved with the stranger, but slowly comes to and begins to remember.
The conclusion of her catharsis is frightening: the worst thing is that the leader, who himself has never committed any crime against anyone, has always kept silent about everything. It was impossible that he didn't know anything, because everyone was aware of it. And this is perhaps the most important moment that this novel targets in the ethos of real life:
The shepherds of the Catholic churches are not protecting the sheep, but the wolves.
I also read this novel as a testimony to an era in the cultural contact of the Arctic peoples with us whites. It is the literary testimony of a unique climate culture.
Unfortunately, it can not have the ethos of a grand way of life in which humble people with humble means brave the harshest environmental conditions, in which a young girl in the dark of night can manage to shoot two attacking polar bears at once and save her family.
This story has the ethos of a drama in which she has no chance against the wolves.
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Michel Jean gehört zu den besten Schriftstellern unserer Zeit. Er hat etwas zu sagen, er weiß wovon er spricht und seine Themen sind relevant. Im neuen Roman Der Wind spricht noch davon (bei Wieser 2022) geht es um die Wölfe der katholischen Kirche. Wölfe werden in diesem Roman männliche und weibliche Erzieherinnen, Mönche und Nonnen genannt, die Kindern und Jugendlichen der indigenen Völker in ihren Residental Schools auflauern, um sie sexuell zu missbrauchen. Wie Wolfsrudel schleichen sie tagsüber um die Schwächsten herum, nachts vergehen sie sich oft auch gemeinsam an ihnen.
Die Verbrechen konnten geschehen, weil die Kirchenobersten davon überzeugt waren, dass die sogenannten Wilden endlich zivilisiert werden müssten, weil die Eltern der Opfer den geistlichen Hirten hörig waren und weil der kanadische Staat die Zwangseinschulung der Kinder in ferne Gegenden finanziert hat, wo sie keinerlei Kontakt zu ihren Eltern mehr hatten. Das Thema hat die kanadische Gesellschaft in den letzten Jahren schockiert, es wurde ein kultureller Genozid erkannt und Zahlungen an die Opfer geleistet, aber die missbrauchten Kinder hat es für ihr ganzes Leben ruiniert.
Michel Jean beschreibt in seinem Roman die katholischen Wölfe aus der Sicht von drei Kindern aus dem Volk der Innu. Er rekonstruiert Sachverhalte aus Berichten und Akten und erzählt die Geschichte der Kinder, die so unwillkürlich unter die Schreckensherrschaft der Wölfe gerieten, in das aberwitzige System der sogenannten Zivilisierung der Wilden. Die Erzählung der Ereignisse in der frühen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist eine emphatische Annäherung an eine Zeit in der Hölle, sprachlich unaufgeregt, aber brutal ehrlich.
Was besonders nachwirkt - ich habe das Buch in einem Zug gelesen, das ist die parallel erzählte Geschichte der überlebenden Marie.
Marie, die ihre beste Freundin im Internat verlor, hat sich nach einer Zeit des Trinkens und der Obdachlosigkeit auf den Straßen Montreals in ein fernes Dorf im Norden verzogen, wo sie seit Jahrzehnten nur noch trinkt und mit niemandem spricht. Bis eine junge Anwältin ankommt, die dafür sorgen will, dass Marie die ihr zustehende Entschädigung von einigen zehntausend Dollar erhält. Marie lässt sich nur widerwillig auf die Fremde ein, kommt aber langsam zu sich und beginnt sich zu erinnern.
Das Fazit ihrer Katharsis ist erschreckend: Das Schlimmste sei, dass der Leiter, der sich selbst nie an jemandem vergangen hat, immer zu allem geschwiegen hat. Es sei unmöglich gewesen, dass er nichts gewusst hat, denn alle haben es mitbekommen. Und das ist vielleicht der wichtigste Moment, den dieser Roman im Ethos des realen Lebens anvisiert:
Die Hirten der katholischen Kirchen schützen nicht die Schafe, sondern die Wölfe.
Ich lese diesen Roman auch als Zeugnis einer Epoche im Kulturkontakt der arktischen Völker mit uns Weißen. Er ist das literarische Zeugnis einer einzigartigen Klimakultur. Leider kann sie hier nicht das Ethos einer großartigen Lebensweise vorführen, in der bescheidene Menschen mit bescheidenen Mitteln den härtesten Bedingungen der Umwelt trotzen, in der es einem jungen Mädchen im Dunkel der Nacht gelingen kann, gleich zwei angreifende Eisbären zu erschießen und ihre Familie zu retten.
Sie hat das Ethos eines Dramas, in dem sie gegen die Wölfe keine Chance hat.
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