Langsam verbreiterte sich der Gang in neuen Abzweigungen. Unter der Decke schlängelten sich Rohrleitungen. Die Räume waren im Rohbauzustand und er musste über Zementsäcke steigen. Einige Stufen führten hinauf und hinab. Aus den Zwischenräumen gähnte ihm schwarze Tiefe entgegen.
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Die Bässe wurden zu entfernten Trommelschlägen. Seine Bewegungen zogen als endlose Schatten die Betonwände entlang. Sein Puls war sein Sonar. Die Schwingungen von Raum und Zeit umgaben ihn. Ihm war, als könnte er auch mit geschlossenen Augen den Schacht noch vor sich sehen.
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Dalia tanzte dem Barkeeper ihre Bestellung vor.
Beiläufig bemerkte Ole, dass er die Zeit manipulieren konnte. Wenn er wollte, froren Egmonts Bewegungen beinahe ein. Beim Vorspulen wurde ihm schwindelig.
Er wandte sich einer leeren Ecke zu, die gemächlich vor sich hin atmete.
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Ignaz hatte zwischen den Bierständen ein paar seltene Becher Wasser aufgetrieben und verteilte sie.
Nach einem ganzen Päckchen gab Oles Nase es auf zu bluten. Dalia warf die Tücher in die Botanik. Ihren Blick konnte er nicht deuten. »Mir geht’s gut. Ehrlich.«
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Dalia betastete Oles Nase. Er stöhnte durch zusammengepresste Zähne.
»Zum Glück nicht gebrochen.« Doch in ihrem Blick lag keine Erleichterung. Egmont reichte ihm ein Taschentuch.
Ole tupfte sich die Nase. »Was seht ihr mich so an?«
Das Tuch färbte sich neonblau. Das Nächste auch.
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Der Stier war abgehauen. Ole keuchte nach Luft und gestikulierte mit den Händen.
Leere Gesichter glotzten und rückten näher.
»Platz!«, rief Dalia und breitete die Arme aus, aber die Menge hörte nicht.
»Schleichts eich!« Egmont war da.
Gemeinsam schaffte sie es aus der Menge.
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Ein wütender Stier, dachte Dalia bei dem kantigen Schädel unter dem Wikingerhelm.
Sie spürte eine Luftbewegung, sah Oles Kopf wie in Zeitlupe zurückfedern. Er ruderte mit den Armen und landete auf dem Boden. Sie war gleich bei ihm. Die Menge bildete eine Blase um sie herum.
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Bevor sich etwas besserte, würde es mit später Stunde schlimmer werden.
»Was wollen wir hier überhaupt?«, rief Dalia. Ole stand gleich neben ihr. Er wandte ihr den Kopf zu und prallte gegen eine feuchthaarige Fleischmasse. »Sorry.«
Jemand grunzte, zwei Rollen Nackenspeck zuckten.
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Ein Wirbel von Lärm und Gerüchen drang von allen Seiten auf sie ein. Ole drehte sich verloren im Kreis. Gewürze, Rauchwerk und Menschen überall. Bier, Schweiß und Frittiertes.
Dalia nahm seine Hand und führte ihn.
»Hotdogs!«, rief ein Glatzkopf mit unironisch fettfleckigem Hemd.
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»Wie im Pornoclub. Wer will schon seinem Nachbarn begegnen?« Dalia öffnete ihr lockiges Haar, band sich ein rotes Tuch um die Stirn und klebte den falschen Schnäuzer und Kinnbart an. Schon war sie Jack Sparrow. »Und du?«
Ole passte seine neonblaue Schleimmaske wie angegossen.
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Abends bahnten sie sich einen Weg von ihrer Hütte in die Nähe der Waldlichtung. Nah genug, um sich einen Überblick zu verschaffen.
Damit sie nicht gleich aufflogen, falls sie den Influencern über den Weg liefen, verkleideten sie sich.
Gefühlt trug jeder Dritte eine Maske.
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Noch waren sie beim Aufbau und die Tarnnetze hingen nicht richtig. Sie schaute durch den Sucher. »Das hier ist gar kein Urlaub.«
»Zumindest nicht nur. Ich weiß vom Treffen aus dem privaten Forenbereich.«
»Hast du dich da reingehackt?«
»Naja. Passwortsicherheit ist so eine Sache.«
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Mit bloßen Augen war es schwer zu erkennen. Er sah durch den Sucher seiner Kamera und zoomte heran. Langsam schwenkte er den unteren Horizont ab. »Wusste ichs doch.«
Er reichte ihr die Kamera und wies die Richtung.
»Die Lichtung dort im Wald.«
Dalia sah auf. »Sind das Zelte?«
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Obwohl sie den Gipfel durch die Wolken nicht erkennen konnten, waren zumindest erste Vorboten zu sehen.
Dalia genoss die Höhenluft. »Zuhause war ich mit meinen Eltern oft in den Bergen. Lange her.«
Oles Aufmerksamkeit lag in entgegengesetzter Richtung. Da war etwas im Tal.
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»Ich hätte bei seinem Lesegeschmack mehr auf Sci-Fi getippt. Dein Onkel ist schon ein komischer Kauz.«
Ole erwiderte nichts und sie beließ es dabei. Der Weg bestand inzwischen aus losem Geröll, das sich in ihre Schuhsohlen bohrte, und sie mussten aufpassen, wohin sie traten.
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»Die Leute im Tal glaubten, wenn die Erde bebte, war es der Zorn der Berggeister und wenn Menschen verschwanden, war es ihr Hunger. Sie stellten sogar Schalen mit Essen bereit, um sie mild zu stimmen. Worum ging’s bei dir?«
»Um Dschinn.«
»Wie im Disneyfilm?«
»Nicht so ganz.«
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Am nächsten Tag erkundeten sie die nähere Umgebung. Sie hatten eine lose Anordnung von Nachbarhütten erwartet, sahen aber keine. Die Ortschaft lag eine Stunde entfernt im Tal.
»Wovon handelte dein Buch? Bei mir waren es Höhlenbewohner, lebendige Steine auf zwei Beinen.«
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Statt Hirschgeweihen hingen Kunstdrucke an den Wänden. Über der Tür versank eine Insel in den Fluten. Ein Hurrikan wirbelte Häuser empor und nebenan stand Chicago in Flammen. Zuletzt tat sich der Boden auf. »Mexico City.«
In ihren Lesepausen sahen sie lieber aus dem Fenster.
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Den Tag verbrachten sie Seite an Seite im Bett, mit der Decke im Rücken, wie auf einer Couch.
Darunter lag ein wildes Büchersortiment.
Obwohl sie etwas dabei hatten, konnten sie Ottes zerlesenen Fantasyromanen und obskuren Mythologiewälzern nicht widerstehen.
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Anstatt den Kaminofen anzufeuern, benutzten sie den Wasserkocher. Zum Frühstück gab es Instantkaffee und Müsli.
Dalia deutete zum Fenster hinaus. »Ich sehe nur einen Gipfel. Wo bleibt der zweite Peak? Wo das Mystery?«
»Abwarten. Lass uns noch etwas die Ruhe genießen.«
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